Ergebnisse der Umfrage roter Rahmen

Sexuelles Verhalten christlicher Männer in Deutschland, Teil 1:

Umfrageergebnisse rund um das Thema Pornografie

Heute veröffentlichen wir den ersten Teil der Umfrageergebnisse. In den kommenden Wochen folgen weitere Beiträge.

Die Umfrage

Am 22. Januar 2022 starteten das Netzwerk gegen Menschenhandel e. V. und Free!ndeed e. V. in Zusammenarbeit mit dem britischen Forscher Dr. Glenn Miles eine siebenwöchige Umfrage. Dabei ging es um das sexuelle Verhalten christlicher Männer in Deutschland. Im Vorjahr war die Umfrage mit 491 Teilnehmern in Großbritannien durchgeführt worden.

Die Umfrage beinhaltete Fragen nach Meinungen und Denkweisen der Teilnehmer mit Fokus auf Pornografie und Pornografiekonsum, aber auch zu Themen wie Sex und Sexkauf. Außerdem wurden die Teilnehmer gebeten, ihr eigenes sexuelles Verhalten einzuschätzen sowie Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kirche oder andere christliche Einrichtungen solche Themen ihrer Meinung nach besser ansprechen bzw. welche geeignete Unterstützung sie anbieten könnten. 360 Männer verschiedenster Konfessionen aus ganz Deutschland nahmen an der Umfrage teil. In diesem ersten Artikel sollen die Ergebnisse rund um das Thema Pornografie zusammenfassend dargestellt und ausgewertet werden.

Das Netzwerk gegen Menschenhandel engagiert sich präventiv gegen Menschenhandel. Wir setzen uns für die Abnahme der Nachfrage nach bezahltem Sex und für die Einführung des Nordischen Modells bzw. die Einführung eines Sexkaufverbots ein, um sexuelle Ausbeutung zu verringern. Da der Konsum und Kauf von Pornografie und Sex Menschenhandel und die Nachfrage nach Zwangsprostituierten fördert, war es uns ein Anliegen, mehr darüber zu erfahren. Nur, wenn wir die Nachfrage verstehen, kann es uns gelingen, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung effektiv einzudämmen. Den Fokus auf „christliche Männer“ fanden wir besonders interessant, weil es in Deutschland zu sexuellem Verhalten christlicher Männer noch keine explizite Forschung gibt und das Verhalten gegenüber Pornografie und Sexkauf in kirchlichen Kreisen selten bis gar nicht offen thematisiert wird.

Ergebnisse

Demografie der Teilnehmer

Fast alle deutschen Teilnehmer bezeichneten sich als tiefgläubig (97%, N[1] = 356) und heterosexuell (94%, N = 358). Die Mehrheit war verheiratet (59%), aber auch Männer ohne Partnerschaft und Männer in Beziehungen waren vertreten (jeweils 29% und 12%). Im Vergleich zu den britischen Teilnehmern, von denen fast drei Viertel über 44 Jahre alt waren (N = 491), waren fast drei Viertel der deutschen Teilnehmer unter 45 Jahre alt (N = 357, Abb. 1). Da die deutschen Teilnehmer deutlich jünger waren, ist es uns wichtig, die Ergebnisse unter Einbeziehung des Altersunterschieds zu vergleichen.

   Frage 1: Wie alt sind Sie?
 Antworten   Anteil (Deutschland), N = 357   Anzahl (Deutschland)   Anteil (Großbritannien), N = 491   Anzahl (Großbritannien) 
 18–24   19,61 %  70  1,22 %  6
 25–34   36,41 %  130  5,91 %  29
 35–44   15,97 %  57  20,98 %  103
 45–54   15,97 %  57  28,31 %  139
 55–64   7,56 %  27  26,48 %  130
 65–74   3,92 %  14  14,05 %  69
 75+  0,56 %  2  3,05 %  15

Abb. 1: Antworten deutscher und britischer Teilnehmer zu Frage 1; Alter in Jahren

Pornografiekonsum und Erstkontakt

Die überwiegende Mehrheit der deutschen Teilnehmer hat mindestens einmal in ihrem Leben Pornografie konsumiert (95%, N = 357). 37% gaben sogar an, mindestens einmal im Monat Pornografie zu konsumieren (N = 334). Fast alle deutschen Teilnehmer kennen andere männliche Christen, die schon einmal Pornografie konsumiert haben (99%, N = 292); bei den britischen Teilnehmern lag dieser Anteil bei 91% (N = 293). Auch wenn der Anteil britischer Teilnehmer hier etwas geringer ist, wird an den Zahlen deutlich, dass sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien Pornografie auf jeden Fall ein Thema unter christlichen Männern ist.

Bei den britischen Teilnehmern – der älteren Gruppe – ist auch der Anteil derjenigen, die schon einmal Pornografie konsumiert haben, etwas geringer als bei den deutschen Teilnehmern (90%, N = 488 im Vergleich zu 95%, N = 357). Aufgrund des Altersunterschieds der beiden Gruppen könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass die jüngere Generation mehr Pornografie konsumiert als die ältere. Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass die Akzeptanz von Pornografiekonsum in Deutschland höher ist als in Großbritannien. Laut Netzsieger (Röttgerkamp, 2018) sind die Deutschen mit 12,4% des weltweiten Traffic pornografischer Inhalte „Weltmeister im Pornos-Gucken“. Ihnen folgen die Italiener mit 9,5%, die Briten mit 8,5% und die US-Amerikaner mit 8,3%, was wieder darauf schließen lässt, dass Pornografiekonsum unter Deutschen eher akzeptiert ist. Es bedarf weiterer Studien mit Teilnehmern derselben Altersgruppe beider Nationalitäten und mit unterschiedlichen Altersgruppen einer Nationalität, um diese Hypothesen zu bestätigen oder zu widerlegen.

Knapp 63% der deutschen Teilnehmer waren bei ihrem ersten Kontakt zu Pornografie unter 15 Jahre alt. Das sind 10% mehr als bei den britischen Teilnehmern (Abb. 2). Dies legt nahe, dass junge Menschen im digitalen Zeitalter ihren Erstkontakt mit Pornografie zunehmend früher erleben. Bei einer Studie unter deutschen Jugendlichen (Quandt & Vogelsang, 2018) lag das Durchschnittsalter des Erstkontakts unter den 16- bis 17-Jährigen bei 14,1 Jahren, unter den 14- bis 15-Jährigen hingegen bei 12,7 Jahren. Andere kommen zu dem Ergebnis, dass das durchschnittliche Alter des Erstkontakts zwischen elf und zwölf Jahren liegt (Giordano, 2022).

   Frage 11: Wie alt waren Sie, als Sie zum ersten Mal (ob absichtlich oder nicht) Pornografie angeschaut haben? 
 Antworten   Anteil (Deutschland), N = 336   Anzahl (Deutschland)   Anteil (Großbritannien), N = 430   Anzahl (Großbritannien) 
 Unter 12  16,07 %  54  12,33 %  53
 12–14  46,73 %  157  40,70 %  175
 15–17   26,49 %  89  26,51 %  114
 18–24  6,85 %  23  13,25 %  57
 25–34  2,38 %  8  3,49 %  15
 35–44  0,30 %  1  1,86 %  8
 45–54  0,30 %  1  0,93 %  4
 55–64  0,89 %  3  0,70 %  3
 65+  0,00 %  0  0,23 %  1

Abb. 2: Antworten deutscher und britischer Teilnehmer zu Frage 11; Alter in Jahren 

In der Studie von Quandt & Vogelsang gaben 46% der befragten Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 20 Jahren an, schon einmal mit pornografischen Inhalten konfrontiert gewesen zu sein.[2] Im Vergleich zu unseren Teilnehmern ist dieser Anteil niedrig – im Alter von 14 Jahren hatten unter unseren Teilnehmern ganze 63% schon einmal Pornografie geschaut. Ein Grund für unser höheres Ergebnis könnte sein, dass wir im Gegensatz zu Quandt & Vogelsang keine weiblichen Teilnehmerinnen hatten, die den prozentualen Anteil womöglich hätten senken können. Diese Annahme ist naheliegend, da laut verschiedener Studien Mädchen ihren Erstkontakt mit Pornografie durchschnittlich später und sie generell seltener Kontakt mit pornografischen Inhalten haben als Jungen (Quandt & Vogelsang, 2018; vgl. Peter & Valkenburg, 2006).

Es gibt verschiedene Daten und Aussagen zur Häufigkeit von Pornografiekonsum unter Jugendlichen (Peter & Valkenburg, 2016). Es ist daher nicht unser Anspruch, die Ergebnisse unserer Umfrage als allgemeingültig zu werten. Dennoch möchten wir sie, inklusive eines Vergleichs zu einschlägigen Studien, veröffentlichen, um neue Daten zu diesem großen und noch zu wenig erforschten Feld beizusteuern und das Augenmerk der Kirchengemeinde auf dieses oftmals tabuisierte Thema zu lenken.

Von wem sie über Sex aufgeklärt wurden

Nur rund 37% der deutschen Teilnehmer gaben an, sie seien von Eltern/Erziehungsberechtigten aufgeklärt worden; über 54% hingegen gaben an, dass ihre Aufklärung durch Pornografie erfolgt sei (N = 357). Unter den britischen Teilnehmern gaben deutlich weniger Männer an, mittels Pornografie über Sex „aufgeklärt“ worden zu sein (31%, N = 491). Auch hier liegt wiederum die Vermutung nahe, dass es sich um einen Generationsunterschied handelt bzw. dass Pornografie in der jüngeren Generation zunehmend in die Lücke einer fehlenden Aufklärung seitens der Eltern oder anderer Vertrauenspersonen tritt. 95% der deutschen und 92% der britischen Männer sind heute übrigens der Meinung, eine sexuelle Aufklärung solle durch Eltern/Erziehungsberechtigte erfolgen (N = 358 bzw. N = 491).

 

Frage 6: Von wem wurden Sie über Sex aufgeklärt? 

Frage 7: Wer sollte Ihrer Meinung nach Kinder über Sex aufklären? 

Antworten   Anteil, N = 357  Anzahl  Anteil, N = 358  Anzahl
Lehrer:innen  45,38 %  162  46,37 %  166
Pornografie  54,06 %  193  1,12 %  4
Schulfreund:innen/
Mitschüler:innen
 36,69 %  131  7,82 %  28
Eltern/ Erziehungsberechtigte  36,69 %  131  95,25 %  341
Jugendleiter:innen  15,41 %  55  48,04 %  172
Sonstiges  25,49 %  91  10,34 %  37

Abb. 3: Antworten deutscher Teilnehmer zu Fragen 6 und 7; Mehrfachnennungen möglich

Aus den Ergebnissen anderer Studien lernen wir, dass die sogenannte Mainstreampornografie, d. h., die pornografischen Inhalte, die – unter anderem von Jugendlichen – am häufigsten konsumiert werden, immer mehr in Richtung Gewaltdarstellung abschweift, insbesondere in Richtung sexueller Gewalt gegenüber Frauen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich unter den „Darstellerinnen“ Betroffene von Menschenhandel befinden, denn eine steigende Nachfrage nach Pornografie fördert eine steigende Nachfrage nach weiblichen „Darstellerinnen“, die auch von Menschenhändlern bedient wird.

Bei Jugendlichen fehlen eine kritische Hinterfragung und Vergleichswerte, weshalb sie gesunden Sex und eine Darstellung sexueller Gewalt in der Pornografie schlecht bis gar nicht differenzieren können. Wenn die Darstellung von Gewalt in Sachen sexueller Aufklärung nun eine zentrale Rolle einnimmt, kann dies zu einem verzerrten Bild von Frauen, Sex und sexuellem Vergnügen führen (vgl. Abb. 4). Eine derartige Verschiebung konnten wir auch in unserer Präventionsarbeit wiederholt feststellen: Viele Jugendliche erlebten selbst sexuelle Grenzüberschreitungen, weil sie annahmen, dass bestimmte Praktiken beim Sex gängig oder gar nötig seien. Um dem entgegenzuwirken, haben wir für unser Präventionsprogramm „Liebe ohne Zwang“ ©2013 ein Zusatzmodul „Pornografie“ entwickelt, das in der vierten Auflage erschienen ist.

Weitere Problematiken, die sich durch sexuelle „Aufklärung“ per Pornografiekonsum ergeben können, sind zum Beispiel hier aufgelistet.

Pornografie und Sexkauf

Mehr als 80% der deutschen Teilnehmer gaben an, zu glauben, dass die häufige Nutzung von Pornografie zur Objektifizierung und Ausbeutung von Menschen sowie zu sexueller Abhängigkeit führen kann. 57%, und damit immerhin mehr als die Hälfte der Teilnehmer, können sich zudem vorstellen, dass Sexkauf eine Folge der häufigen Nutzung von Pornografie sein kann (N = 336, Abb. 4).

Abb. 4

Abb. 4: Folie mit Antworten deutscher Teilnehmer zu Frage 16

In ihrer Studie zu einer Umfrage mit 6048 schwedischen Männern kommen Deogan et al. (2021) unter anderem zu folgendem Schluss: Je häufiger Pornografie konsumiert wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit des Sexkaufs (S. 2049). Die Ergebnisse von Farley et al. (2011) legen einen ähnlich engen Zusammenhang zwischen Pornografiekonsum und Sexkauf nahe: Die Teilnehmer, die am meisten Pornografie konsumiert haben, waren gleichzeitig diejenigen, die am häufigsten Sex gekauft haben (S. 6). Unter anderem deshalb ist es von großer Bedeutung, die (häufige) Nutzung von Pornografie nicht zu verharmlosen, sondern als Warnhinweis für einen eventuellen Sexkauf zu betrachten, der wiederum die Nachfrage nach käuflichem Sex und damit zwangsläufig auch nach Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in der Prostitution und der Pornografie steigert (vgl. Luzwick, 2017). Mehr dazu im zweiten Artikel.

Weitere Informationen

Dieser Beitrag ist der erste einer Serie mehrerer Beiträge. Im zweiten Beitrag, den wir in den nächsten Wochen auf unserer Website veröffentlichen, werden die Ergebnisse rund um das Thema Sexkauf ausgewertet und diskutiert.

Bei Fragen oder Kommentaren zu Umfrage und Auswertung, kontaktieren Sie bitte unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Rebecca Morgan unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

 

[1] „N“ steht für die Gesamtzahl der Teilnehmer, die geantwortet haben.

[2] 13% der Jugendlichen haben entweder nicht geantwortet oder waren sich nicht sicher (Quandt & Vogelsang, 2018, S. 104).

 

Quellen:

  • Deogan, C., Jacobsson, E., Mannheimer, L., & Björkenstam, C. (2021). Are men who buy sex different from men who do not?: Exploring sex life characteristics based on a randomized population survey in Sweden. Archives of Sexual Behavior, 50(5), 2049–2055. doi:10.1007/s10508-020-01843-3
  • Farley, M., Macleod, J., Anderson, L., & Golding, J. M. (2011). Attitudes and social characteristics of men who buy sex in Scotland. Psychological Trauma: Theory, Research, Practice, and Policy. Online-Veröffentlichung. doi: 10.1037/a0022645
  • Giordano, Amanda L. (2022). What to Know About Adolescent Pornography Exposure. Psychology Today. https://www.psychologytoday.com/ca/blog/understanding-addiction/202202/what-know-about-adolescent-pornography-exposure [Zugriff: 19.07.2022].
  • Luzwick, Allison J. (2017). Human Trafficking and Pornography: Using the Trafficking Victims Protection Act to Prosecute Trafficking for the Production of Internet Pornography. Northwestern University Law Review, 112(2), S.355-376. https://scholarlycommons.law.northwestern.edu/nulr/vol112/iss2/5/ [Zugriff: 19.07.2022].
  • Peter, J., & Valkenburg, P. M. (2006). Adolescents’ exposure to sexually explicit material on the internet. Communication Research, 33(2), 178–204. doi:10.1177/0093650205285369
  • Peter, J., & Valkenburg, P. M. (2016). Adolescents and pornography: A review of 20 years of research. The Journal of Sex Research, 53(4-5), 509–531. doi:10.1080/00224499.2016.1143441
  • Quandt, T. & Vogelgesang, J. (2018). Jugend, Internet und Pornografie. Eine repräsentative Befragungsstudie zu individuellen und sozialen Kontexten der Nutzung sexuell expliziter Inhalte im Jugendalter. Rössler, Patrick & Rossmann, Constanze (Hrsg.). Kumulierte Evidenzen. Replikationsstudien in der empirischen Kommunikationsforschung. Wiesbaden: Springer VS, 91–118.
  • Röttgerkamp, Anne (2018). Internet Pornografie – Zahlen, Statistiken, Fakten. Netzsieger. https://www.netzsieger.de/ratgeber/internet-pornografie-statistiken [Zugriff: 26.07.2022].

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